Montag, 19. Dezember 2011

Neulich auf dem Physio-Schragen...

Es war der Tag, als es zu schneien begann. Endlich leerte Frau Holle ihre Daunenkissen und brachte den lang ersehnten Winter nach St.Gallen. Klirrende Kälte. Der perfekte Pfarrer-Sonntag (Dienstag), um dem Säntispark einen Besuch abzustatten (für Nicht-Sanggaller: das ist ein Wellness-Bad). In der heissen Aussentherme mit Blick auf den stolzen Hausberg Säntis, freute ich mich auf die Massage, die meinen Hexenschuss endgültig wieder hinbiegen sollte.

Ich: "Ich hatte einen Hexenschuss kürzlich, hier so rechts neben der Wirbelsäule."


Er (jung, vielleicht 18): "Was arbeiten Sie denn?"


Ich: "Hmmmm... ääääh... als Pfarrerin."


Er: "Was?? Also so die in der Kirche?"


Ich: "Ja, die so in der Kirche."


Er: "Echt jetzt? Ist ja kraaaass! Ich hatte noch nie eine Pfarrerin auf dem Schragen! Wow!!"


Ich: "-"


Er: "Ja dann glauben Sie an das, was in der Bibel steht?"


Ich: "Naja, an alles, was in der Bibel steht, glaube ich nicht. Aber an Gott, ja, glaube ich."


Er: "Ist das ein Unterschied?"


Ich: "Schon, ja. In der Bibel steht auch Mist. Da geht's teilweise gewalttätig zu und her. Das finde ich nicht gut."


Er: "Ah echt? Sind Sie so eine kritische Pfarrerin?"


Ich: "Kritisch sollte man auf jeden Fall immer sein. Wie sonst soll man als Pfarrerin mit den Leuten reden und sich auf die Gegenwart einlassen können?"


Er: "Ich glaube nicht so fest an Gott, aber ein bisschen was stimmt ja vielleicht, eine höhere Macht oder so. Wenn ich das meinen Kollegen sage, dann halten sie mich für verrückt. Ich gehe nicht in die Kirche. Aber in der Bibel stehen schon gute Sachen. Also zum Beispiel die Geschichte mit dem Blinden, der wieder sieht, das ist ja nicht wörtlich gemeint, also dass der WIRKLICH wieder sehen kann. Halt mehr so im übertragenen Sinn, dass ihm ein Licht aufgeht, dass er etwas versteht."


Ich: "Wollen Sie nächsten Sonntag für mich predigen?"


Er: "Ich kann nicht so gut vor Leuten sprechen."


Ich: "-"


Er: "-"


Er: "Was halten Sie eigentlich vom Islam?"


Ich: "Öööööh.... ist eine Religion wie das Christentum. Wir stehen uns sogar sehr nahe. Für den Islam sind das Christentum und das Judentum Teil ihrer eigenen Religionsgeschichte."


Er: "Aber die sind doch voll krass, voll gewalttätig und so, also was da im Koran steht."


Ich: "In der Bibel steht zum Beispiel: Ihr sollt alle Völker um euch herum vernichten! Auch nicht grad friedvoll, oder?"


Er: "Echt, das steht in der Bibel?"


Ich: "Ja, wortwörtlich. Deshalb sag ich ja, man sollte nicht jedes Wort in der Bibel glauben. Dasselbe gilt für den Koran. Die Mehrheit der christlichen und muslimischen Menschen sind aber friedvoll und tolerant. Extremisten gibt es leider überall. Sie verdrehen die Religion."


Er: "Mich stört einfach, dass die uns in der Schweiz mit ihren Minaretten den Raum wegnehmen. Es ist eh schon eng genug."


Ich: "So ein Minarett ist nicht besonders breit. Das ist eine Art Ansatz der Moschee, wie ein schmaler Kirchturm."


Er: "Ja aber die Moschee nimmt ja auch Platz weg. Da dürfen Nicht-Muslime nicht mal rein! Das stört mich total, dass es in der Schweiz solche Räume gibt, wo es uns verboten ist, reinzugehen. Wie fremdes Land im eigenen."


Ich: "Erstens Mal ist das totaler Schwachsinn! Natürlich darf man in die Moschee! Ich war gerade vor zwei Wochen in der bosnischen Moschee in St.Gallen. Ich war auch schon in Moscheen in London und in Frankreich. Die Muslime zeigen Ihnen sehr gerne ihre Gebetsräume. Schreiben Sie das mit und sagen Sie es allen Ihren Kollegen! Dass man als Nicht-Muslim nicht in die Moschee darf, ist absoluter Nonsense."


Er: "Aha..."


Ich: "Zweitens: Haben Sie sich schon mal beim Schweizerischen Geheimdienst beschwert, dass Sie da nicht einfach reinlaufen können? Oder bei der Goldkammer der Schweizer Nationalbank? Oder bei den Freimaurern?"


Pfarrerin auf Massage-Schragen sollte kostenlos sein.

Mittwoch, 30. November 2011

Luftbrotbrechen mit Hexenschuss

Gestern lag ich flach. Hexenschuss. Eine falsche Handbewegung nach dem Aufstehen und zack!! rammt es mir ein Schwert zwischen das rechte Schulterblatt und die Wirbelsäule. Unter Schmerzen konnte ich mir gerade noch die Haare fönen und Klamotten überziehen, um mit schmerzverzerrtem Gesicht in die Supervision zu gehen. Meine Sinne waren leicht verklärt, weshalb meine grossartigen Selbstreflexionen wohl etwas leicht Verwirrtes an sich hatten. Aber ich habe zwei Stunden durchgebissen.

Dann lag ich den ganzen Tag im Bett. Stocksteif auf dem Rücken zu liegen war noch die einzig mögliche Körperhaltung. Das ist totaaaal langweilig. Über Nacht ging der Hexenschuss weg. Zurück blieb eine Totalverkrampfung des Nackens.

Computer ging gar nicht. Deshalb liess ich für den Konfirmationsunterricht meine ganze Kreativität walten und habe passend zum Thema ein Kirchenjahr gemalt. Gerade als ich so richtig in Fahrt kam und mit bunten Farben (Neocolor! Ich liebe Neocolor!) die verschiedenen Zyklen und Feste hervorheben wollte, kam mein Lehrpfarrer rein.

Ich: Schau, voll schön! - Er: Das kann man in der Grösse im Fall auch ausdrucken lassen. 

Wir sind ein gutes Team.

Noch vor Beendigung des Kreativprozesses begleitete ich meinen Lehrpfarrer zum Friedhof. Das Sitzen in der Abdankungshalle war für mein Rücken eine Tortur. Doch nirgends lernt man so viel, wie bei Abdankungen. Es berührt mich immer wieder sehr, wie wichtig dieses Ritual für die Hinterbliebenen ist, welch grosses Vertrauen einer Pfarrperson hier entgegen gebracht wird und welche Last der Verantwortung damit auf der Liturgin liegt. Es erinnert mich an meine eigenen Momente des Abschiednehmens. Eine Abdankung kann so viel geben! Und sie kann so viel zerstören. Ich habe riesengrossen Respekt vor dieser Aufgabe, die auch noch auf mich zukommen wird.

Danach haben wir in der Kirche zwei Stunden Abendmahl geübt. Ja, das tut eine Vikarin: nachmittags in der Kirche das Abendmahl einüben. Vielleicht haben Sie ja Glück und treffen mal einen von uns beim Kelch-Hochalten und Luftbrotbrechen an.

Der Konf-Abend war übrigens super. Ich habe mich selber dabei überrascht, wie kraftvoll ich die Bedeutung der christlichen Theologie rüberzubringen im Stande bin. Ich schulde meiner Leserschaft während der Adventszeit definitiv einen Eintrag über die politische Sprengkraft des Christentums.

Doch das hält mein Rücken heute Abend nicht mehr durch.

Dienstag, 22. November 2011

Oops, I did it again!

Ohrwürmer sind an sich eine ziemlich mühsame Angelegenheit. Wer erinnert sich nicht an die Tage, an denen Britney Spears uns ununterbrochen 'Oops I did it again' ins Ohr gehaucht hat. Geht nicht mehr weg!

Nicht mühsam sondern leicht peinlich wird es dann, wenn sich ein Gassenhauer des Kirchengesangsbuches in den Ohrwindungen verfangen hat und man sich dann plötzlich dabei erwischt, wie man im Bus oder beim Stadtbummel 'Grosser Gott wir loben dich' vor sich her summt. Bleibt nur hoffen, dass es die anderen nicht zuerst merken!

Wenn sich 22 angehende Pfarrer und Pfarrerinnen im Kloster Kappel am Albis befinden, dann ist der kirchengesangliche Ohrwurm unumgänglich. Der derzeitige Ohrwurm geht auf die Kosten meines Stuhlkreissitznachbars Lukas B. Seit gestern Nachmittag summt er ständig 'Wer nur den lieben Gott lässt walten'. Jetzt summen das alle, ich inklusive. Es nervt total!! Dass keiner von uns über die erste Zeile hinaus kommt, tut der Penetranz der Sache keinen Abbruch. Es summt und singt im ganzen Kloster, immer dieses eine Lied. Ist nur zu hoffen, dass es bis zur Abreise wieder raus ist, damit die Vikare im Postauto nicht im Chor 'Wer nur den lieben Gott lässt walten' summen. Es könnte unserem knackigen Image erheblichen Schaden zufügen. Vielleicht sollte ich einfach mal anfangen 'Oops I did it again!' zu singen! Da kenne ich sogar die zweite Zeile...

Sonntag, 20. November 2011

Spiritualität II

Manchmal fahre ich mit dem Auto zur Kirche, das mir meine Eltern bei Bedarf ausleihen. An den Museen vorbei fahre ich in die Rorschacherstrasse, die nach Osten und stadtauswärts führt. Nach drei Ampeln biege ich rechts ab, Richtung Haldenkirche. Diese Fahrt an sich ist noch nicht besonders spirituell. Aber wenn ich dann nach der Busstation links in die Sackgasse Oberhaldenstrasse einbiege, die direkt zur Kirche führt, dann stellt sich mein Geist irgendwie auf die Verlangsamung der Zeit ein, die in einem gelungenen Gottesdienst spürbar ist. Hier herrscht nämlich Zone 30.

Zone 30 ist ein verkehrspolitisches Zeichen der Achtsamkeit und Rücksichtsnahme. Daran denke ich jeweils, wenn ich das breite Auto zur Kirche lenke. Kirche im Kern sollte genau das sein: Zone 30 für die Menschen. Ein Ort, an dem man aufeinander und auf sich selbst acht gibt. Und die Haldenkirche ist das irgendwie.

Hätte ich früher auch nie gedacht, dass so etwas Banales wie eine Zone 30 spirituelle Empfindungen auslösen kann! Das sagt einem wieder keiner an der Uni... :-)


PS: In solchen Momenten entstehen übrigens Predigten. Nicht am Schreibpult.

Freitag, 18. November 2011

Gretchenfrage - Part I

Gretchen zu Faust: „Nun sag, wie hast du’s mit der Religion? Du bist ein herzlich guter Mann, allein ich glaub, du hältst nicht viel davon.“

Die Gretchenfrage begleitet mich seit... ja seit wann? Unbewusst wohl schon lange, ich habe meine Fragen nur lange nicht als religiös eingestuft. Bewusst seit dem Tag, als der Philosophieprofessor uns den ontologischen Gottesbeweis des Anselm von Canterbury gelehrt hat. Gott beweisen? Absurd! Darüber wollte ich mehr wissen und schrieb mich nach längerem Ringen für Theologie ein.

Würde mich Gretchen heute fragen, würde ich folgende Geschichte erzählen:

Zwei Rabbiner sitzen abends zusammen und diskutieren, ob Gott existiert oder nicht. Nach stundelanger Auseinandersetzung einigen sie sich darauf, dass Gott nicht existiert und gehen schlafen. Am nächsten Morgen schläft der eine Rabbi aus, während der andere wie jeden Morgen draussen das Morgengebet verrichtet. Als sein Freund das sieht, fragt er ganz erstaunt: "Weshalb betest du denn? Wir sind doch gestern zum Schluss gekommen, dass Gott nicht existiert." Darauf erwidert sein Freund: "Was hat das denn mit Gott zu tun?"

Die Suche nach Antworten auf die Frage nach Gott überfordert mich manchmal. Dann kann ich nichts sagen. Nicht ob, nicht wo und nicht wie. Das Wort Gott wird zur Überforderung

Was bleibt, ist das Suchen. "Sucht das Heilige, damit ihr lebt!" So steht das in der Bibel, beim Propheten Amos.

Donnerstag, 3. November 2011

Martin Luther... Martin wer???

Das Wochenende mit den Jugendlichen in der Speicherschwendi hat mir klar gemacht, wie man eine Konfirmationsklasse dazu bringt, sich einige Fakten über Martin Luther zu merken. Was beschäftigt junge Erwachsene laut Entwicklungspsychologen am meisten? Partnerschaft - Berufseinstieg - Haushalt gründen.

Also muss das die Ausgangslage sein.

Ausschnitte aus dem Konfirmationsunterricht:

Datei:Katharina-v-Bora-1526.jpg"Luther war nicht nur Theologe, er war auch Ehemann. Seine Heirat war für die Kirche ein Skandal, ein S-K-A-N-D-A-L! (mit ganz vielen Ausrufezeichen und Gesten unterstreichen). Der Mönch Luther hat eine Nonne geheiratet. Ein Mönch! Eine Nonne! Das geht für die katholische Kirche gaaaar nicht!"


"Katharina von Bora war eine junge, gutaussehende Frau. Sie lebte im Kloster. Eines Tages hörte sie von den reformatorischen Ideen Luthers. Sie war begeistert! Katharina war eine selbstsichere Frau, und so schrieb sie dem Luther einen Brief. Er solle ihr sagen, ob sie aus dem Kloster ausbrechen soll. Luther fand: Ja natürlich! Er schickte einen Fischhändler vorbei, der Katharina und fünf weitere Nonnen in Fischfässern - Fischfässern! - bei Nacht und Nebel aus dem Kloster rollte."

"Katharina arbeitete in einem Haushalt. Luther wollte die Nonnen unter die Haube bringen. Er präsentierte Katharina zwei charmante Herren, doch sie lehnte ab. Katharina hatte es nämlich auf Martin Luther abgesehen. Er war übrigens 16 Jahre älter. Die ehemalige Nonne schrieb Luther kurzerhand einen Brief und bot sich als seine Ehefau an. Un-ver-schämt! Eine Frau, die dem Mann ihre Hand anbietet! Das ging vor 500 Jahren also gar nicht. Aber Luther und Katharina heirateten."


"Weil Katharina so ein Mannsweib war und in der Beziehung klar die Hosen anhatte, nannte sie Luther in seinen Briefen manchmal 'Herr Käthe'."
Martin Luther (Bild: Wikimedia Commons)

"Sie lebten in einem riesengrossen Haushalt mit rund 50 Leuten. Selber hatten sie sechs Kinder. Da lebten aber auch noch Neffen und Nichten und Adelige auf der Flucht, weil sie sich auf die Seite der Reformation geschlagen hatte."


"Seine wichtigste theologische Idee kam Luther der Legende nach übrigens auf dem Plumsklo. Plötzlich ging ihm auf: nur wenn ich aufrichtig und von innen heraus glaube, dann kann ich auf Gottes Gnade zählen. Mit Geld kann man doch keine Gnade kaufen! Man muss gut leben und aufrichtig glauben! Solche Ideen hatte Luther auf dem Klo..."


Nun, vielleicht können die Konfirmanden und Konfirmandinnen keine theologischen Abhandlungen über die Gnadentheologie schreiben, aber wer in der Ehe Luther die Hosen anhatte und dass man auf dem Klo wichtige Erkenntnisse haben kann, das werden sie so schnell nicht wieder vergessen.

Montag, 31. Oktober 2011

Quer durchs Leben und über den See

Eine Beerdigung zwecks Studium: so begann das Wochenende. Am Freitag hielt mein Lehrpfarrer eine Abdankung. Ich sass unter den Trauernden und fühlte mich wie ein Fremdkörper, fast voyeuristisch. Es geht um Leben und Tod. Um das endgültige Aus des Lebens auf der Welt, das endgültige Aus der alltäglichen Beziehungen und das Unwiderbringliche. Und man sitzt da als Vikarin und schaut zu, wie der Pfarrer durch die Feier führt, damit man es dann einmal selber tun kann. Hin und wieder rutscht man selber in die Emotionalität, weint um einen Menschen, den man nicht gekannt hat, in Erinnerung an die eigenen Verstorbenen.

Eine Stunde später geht's los ins Jugend-Weekend. Zwei Einkaufswagen voll gepackt mit Nahrungsmitteln und Arbeitsmaterial fahren wir beim Eindunkeln ins Pfadiheim Speicherschwendi. Als wir das enge, steile Strässchen zum Pfadiheim hinunterkurven, ist es bereits zappenduster. Der Schlüssel ist unauffindbar, der Bauer flucht uns an, im Wechseltakt mit seinem aggressiven Hund, und da parken vor dem Haus nicht möglich ist, müssen wir die Kisten einen kleinen Fussweg gepflastert mit Kuhscheisse hinunterbalancieren. Ein paar Fehltritte später haben wir es alle bis zur Hütte geschafft. Nach einer halben Stunde kommt auch der Schlüssel und nach einer weiteren halben Stunde ist die Tür geöffnet und der Stromhauptschalter gefunden. Den Rest des Abends sitzen wir am Feuer und reden über die grossen Fragen des Erwachsenwerdens.




Nach der Konfirmation gibt es in der Haldengemeinde zwei Möglichkeiten, sich einer Gruppe anzuschliessen: Die Jugendlichen können entweder Hilfsleiter/Hilfsleiterin im Konf-Unterricht werden und lernen, selber einen Konf-Abend vorzubereiten und zu leiten. Während eines Wochenendes werden sie auf dieser Leitungsaufgabe vorbereitet. Oder man schliesst sich den Young Believers an, eine Gruppe, die eigenständig Jugendgottesdienste gestaltet. Diese Gruppe hat auch eine Band, die wöchentlich im Bandraum der Gemeinde probt. 


Am Sonntagmorgen war früher Aufbruch angesagt. Last minute cleaning im Schnelldurchlauf. Es ging gleich weiter an den Bodensee, wo wir gemeinsam mit 500 freiwilligen Mitarbeitenden der Gemeinde Tablat einschifften. (Die Kirchgemeinde Tablat umfasst sechs Kirchkreise der Stadt St.Gallen, eine davon die Halden.) Den ganzen Tag verbrachten wir auf dem See, einige mit auffällig langen und übermüdeten Gesichtern. Auf dem unteren Deck gaben sich die Pfarrer ein ehrgeiziges Duell am Tischfussballtisch. Am Oberdeck taten die Young Believers dasselbe mit SingStar. Gegen Lukas (im gelben Pulli) hatte niemand eine Chance. Er sang uns alle an die Wand. 

Und heute, am Montag, ist (fast) Pfarrersonntag, wären da nicht die vier Lektionen an der Sekundarschule...

Mittwoch, 26. Oktober 2011

Seniorengespräche

Am Seniorennachmittag

Seniorin: "Sie sind aber mutig!"

Ich: "Warum?"

Sie: "Pfarrerin werden! In dieser Zeit!"

Schülergespräche

Protokoll aus dem Religionsunterricht, 2. Sekundar (ca. 12 Jahre alt)

Thema: Prophetie im Alten Testament

Ich: "Die Propheten des Alten Testaments haben die Missstände in der Gesellschaft angeprangert. Die Reichen haben auf Kosten der Armen gelebt. Anstatt einen Teil ihres Vermögens den Armen abzugeben, haben sie ihre Feste gefeiert. Die Propheten haben an die Botschaft Gottes erinnert. Die Reichen sind dazu aufgefordert, für einen Ausgleich in der Gesellschaft zu sorgen statt verschwenderische zu leben. Die Menschen sind füreinander verantwortlich."


Schüler: "Ja aber der Reiche der hat auch gearbeitet für sein Geld! Selber schuld, wenn man nicht arbeitet. Dann ist man halt arm."


Ich: "Wie ist es denn, wenn einer das Geld von seinen Eltern erbt und der andere 10 Stunden pro Tag auf dem Bau arbeitet? Der arbeitet ja viel mehr und hat trotzdem viel weniger."


Schüler: "Ja die Eltern des Reichen haben halt hart gearbeitet!"


Ich: "Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Andere Meinungen?"


Schüler: "Der Reiche kann ja etwas spenden! Das wäre gerecht."


Ich: "Wo kann man denn sein Geld spenden?"


Schüler: "Es gibt so Organisationen, die haben Projekte in armen Ländern, zum Beispiel in Afrika. Wenn man denen Geld schickt, helfen sie den Armen."


Anderer Schüler: "Ja aber ich habe eine Reportage gesehen. Das Geld brauchen sie im Fall für sich selber! Zum Beispiel in Haiti, da kommt das Geld gar nicht zu den armen Menschen wegen der Regierung."


Ich: "Es ist wichtig, sich gut über eine Organisation zu erkundigen. Es gibt Organisationen, die brauchen ganz viel vom Spendegeld für den eigenen Arbeitsaufwand. Oder das Geld versandet, weil die Regierungen es nicht weitergeben. Informiert euch gut!"


Schüler: "Aber die, die für die Organisation arbeiten, also in der Schweiz, die brauchen ja auch einen Lohn. Das ist schon in Ordnung. Sonst sind die ja dann arm und brauchen selber Spenden."


Soll noch einer sagen, die Heranwachsenden seien desinteressiert und ignorant! Das Gespräch ist ohne mein Zutun entstanden. Ich habe lediglich den Ball ein bisschen hin und her gespielt.

Ein Wehmutstropfen: Es sind vor allem die Jungs, die diskutieren. Die Mädchen lassen sich kaum zu einer Meinung herausfordern. Schulterzucken ist die häufigste Antwort.

Dienstag, 25. Oktober 2011

Blick in die Agenda

So sieht ein Vikariatstag zum Beispiel aus...

10 Uhr: Einzelsupervision
Im Gesamtpaket Vikariat inbegriffen: Einzelsupervision mit Lehrpfarrer und einem externen Supervisor. Findet ungefähr alle sechs Wochen statt. Kann allfällige Konflikte, Krisen und Katastrophen vorbeugen und begleiten und gibt den grossen und kleinen Fragen rund ums Vikariatsdasein Raum.

11:30 Uhr: Agenda abgleichen
Wer macht wann welchen Gottesdienst und welchen Konfabend... Wann finden die Zwischenauswertungen statt... Sind auch sicher alle Sitzungen eingetragen...

12 Uhr: Mittagessen

13:30 Uhr: Blog schreiben, Mails checken

14 Uhr: Artikel fertig schreiben
Den Artikel schreibe ich für die deutsche Zeitschrift "Arbeitshilfen wum Weitergeben". Zielpublikum: Katechetinnen. Thema: europäische Ökumene anhand einer Bibelarbeit zu Epheser 4,2-6. Zeichen: 17'000.

Wohl so um 16:30 Uhr: Pause mit Postgang
Die Beschwerde an die Sunrise Geschäftsstelle muss noch ab, da ich aufgrund eines falsch abgeschlossenen Vertrages eine horrende Telefonrechnung gekriegt habe. Der Verkäufer von der Verkaufsstelle Multergasse hat den Fehler eingestanden.

18 Uhr: Besprechung Jugendweekend
Mit der Jugendarbeiterin, dem Lehrpfarrer und einer Gruppe junger Erwachsener aus verschiedenen Jugendgruppen der Kirchgemeinde werde ich Freitag bis Sonntag im Pfadiheim Speicherschwendi verbringen. Wie wollen sich die Jugendgruppen in Zukunft in die Gemeinden einbringen? Was läuft gut, was nicht? Wer plant den nächsten Jugendgottesdienst? Wie können neue Leute nachgezogen werden? Und vor allem viel Spass, Gespräch und Abhängen!

20 Uhr: Sitzung Haldenrat
Der ökumenische Rat der Kirchgemeinde trifft sich einmal im Monat, um Gemeindeprojekte, Personelles und Veränderungen in der Gemeinde zu besprechen.

Hoffentlich um 22 Uhr: Meeting mit Lorelai und Rory Gilmore

Montag, 24. Oktober 2011

Der erste Kuss

Eigentlich wollte ich nur schnell den Müll rausstellen.

Auf dem Weg zum grossen, silbrigen Müllschlucker, gleich neben der Tonhalle, kam ich an den blinkenden und duftenden Stände des Olma-Jahrmarktes vorbei. Für einen Franken schnauste ich ein Erpeeri aus roter Zuckermasse, so eines, wie ich als Kind von meinen Eltern bekam. Zweimal im Jahr, anlässlich des Jahrmarktes. Als Teenager kaufte ich mir das Erpeeri dann selber, aus meinem Taschengeld, oder liess es mir von einem Buben schenken, der ein bisschen in mich verknallt war. Das war nur meistens nicht derjenige, den ich haben wollte - oder vielleicht doch? Besonders an der Olma wechselte der Herzbube im Stundentakt.

Teenager-Liebe. Rückblende. Meinen ersten Kuss habe ich meinem Konfirmationspfarrer zu verdanken. Zarte fünfzehn Jahre, im Konfirmandenlager, bekam ich jedes Mal Herzpöpperln, wenn der 17-jährige Hilfsleiter mich ansah. Er hiess Sämi und ich konnte das Gefühl nicht einschätzen. Deshalb fand ich ihn blöd und war richtig fies zu ihm. Der Konfirmationspfarrer aber (der hiess Sigi), der hat meine emotionale Innenwelt richtig interpretiert und ein ernstes Wörtli mit mir und mit Sämi geredet. Er vermutete nämlich, dass wir uns nicht doof fänden, sondern eher ganz flott. So kam es zum ersten Kuss am Lagerfeuer, während Sigi die Klampfe schlug und die anderen "Das alte Haus von Rocky Tocky" johlten. Die Konfirmationsliebe hielt drei Wochen. Der Sämi hat es sogar zum Abendessen zu meinen Eltern geschafft. Es gab Hähnchen.

Das kirchliche Trauma blieb mir wahrscheinlich deshalb erspart. Der Konfirmationsunterricht hat mir in solch komplizierten Dingen wie der pubertären Gefühlswelt den Weg gewiesen. Im Vergleich zu Schule und Elternhaus eine eher progressive Grundhaltung...


Es war auch Olma-Zeit damals. Und so zogen mich die Lichter auch an diesem Abend in den Bann. Ich schlenderte über den Jahrmarkt. An mir zogen die Schnapsdrosseln aus der Halle 5 vorbei. Das wiederum erinnerte mich an die Slalom-Ski-Wettbewerbe von früher. Nur dass die Fähnchen ständig Standort wechselten und nach Knoblibrot und Bier rochen. Ein paar erste Küsse glaubte ich auch beobachten zu können. Ein paar Minuten später blieb ich unter einer Bahn stehen, wo die Leute kopfstehen und kreischen. Ich schaute nur von unten und dachte, dass das böse ins Auge gehen würde, wenn die Schrauben dieser Bahn locker wären. Dann fiele diese schwere Stahlkonstruktion samt kreischenden Menschen auf mich. Eine recht unübliche Todesart.  Aber ich habe überlebt. Bevor ich mich meinen schwarzen Gedanken hingeben konnte, standen plötzlich ehemalige Schulkollegen vor mir. Und schon hatte ich einen Tutschauto-Jeton in der Hand und versuchte die anderen möglichst frontal zu rammen, wobei ich mir beinahe ein Schleudertrauma zugezogen hätte. Auf der Geisterbahn hatte ich dann aber andere Sorgen. Traumatisiert von früher fürchtete ich mich vor den Skeletten, die da gleich ihre knochigen Finger nach mir ausstrecken würden. Ich musste tatsächlich 31 werden, um das Trauma endlich zu überwinden. Das gelang recht einfach, weil ich vor allem die provisorisch zusammen geschusterten Wände und Stoffe wahrnahm, die hier und da Löcher hatten und die fiesen Gespenster noch vor ihrer Untat in unvorteilhaftes Licht stellten. Früher war das alles voll gut abgedichtet und die Bahn ging viiiiel länger. Und es gab echte Menschen!

Eigentlich wollte ich nur schnell den Müll rausstellen.

Dienstag, 18. Oktober 2011

Auf High Heels zur Kanzel - oder: die Sorgen einer Vikarin vor der ersten Predigt

Die Gemeinde starrt mich an. Ich lausche meinen eben geäusserten Worten nach: "Ich lese nun das Gedicht Herbstmanöver der Schriftstellerin Ingeborg Bachmann." Dann senke ich den Kopf, um das literarische Wunderwerk zum besten zu geben, so wie ich es am Tag vorher mehrere Male geübt habe. Aber vor mir liegt kein Gedicht. Stattdessen ist der Kanzelpult übersät mit Müll, Blättern, Essenresten, alles drunter und
Muellhaldedrüber, chaotisch von den Pfarrkollegen liegen gelassen. Ich wühle, lächle gequält in die Menge, vielleicht merkt es ja niemand. Die Gemeinde wird unruhig. Ich finde das Gedicht nicht, also suche ich halt die Predigt, was soll's machen wir halt gleich mit der Predigt weiter. Aber auch die ist im Abfallhaufen nicht zu finden. Ich entschuldige mich kurz, stürme nach hinten zur Sakristei - insofern ich denn stürmen kann, denn ich bemerke gerade, dass ich knallrote High Heels trage. Finde auch in der Sakristei meine Blätter nicht, stolpere zurück zum Kanzelpult und schaue meinen Lehrpfarrer an. Er ist ja schliesslich da, um mir zu helfen. Doch er schaut mich nur verächtlich an, dreht sich lachend zur Gemeinde und sagt: "Na, da muss man sich aber schon ein bisschen besser vorbereiten, wenn man Pfarrerin werden will!" Und zu mir: "Hilf dir selber aus der Patsche."

Ich wache auf.

Es ist Sonntag Morgen. Heute halte ich zum ersten Mal alleine einen Gottesdienst. Predigt geschrieben, liturgischer Ablauf bereit, Organist und Messmerin informiert. Traumatisiert von der nächtlichen Horrorvision kontrolliere ich drei Mal, ob ich alles dabei habe. Es ist mir recht mulmig zumute, eine Gemeinde durch den Gottesdienst zu leiten. Ist es nicht anmassend bestimmen zu können, worüber in der Kirche nachgedacht und wofür gebetet wird? Die Gewissheit, dass mir das zusteht, hat mich bisher noch nicht heimgesucht. Mich plagen Zweifel, ob ich gläubig genug bin, um einen Gottesdienst zu leiten. Aber jetzt ist es zu spät. Es ist Sonntag Morgen 9 Uhr und in eineinhalb Stunden bin ich dran, egal wie gross meine Zweifel an meiner Frömmigkeit grad sind. Das muss ich jetzt pragmatisch sehen.

In der Kirche versichere ich mich zuerst, dass der Kanzelpult aufgeräumt ist, und lasse mir dann von meinem Lehrpfarrer versichern, dass er mir bei Aussetzern zu Hilfe eilen wird.

Alles läuft gut. Innerlich bin ich angespannt. Locker fühlt sich anders an. Aber ich ziehe den Gottesdienst durch, alle Einsätze kommen rechtzeitig und die Worte fliessen wie geplant. Auch die beiden Sonntage darauf stehe ich vor der Gemeinde und halte den Gottesdienst. Beim dritten Mal habe ich mich soweit entspannt, dass ich endlich auch die Gemeinde wahrnehme und meine innere Anspannung mir nicht die ganze Energie absaugt. Die Form des Gottesdienstes nähert sich bei der dritten Performance allmählich dem, was ich unter Gottesdienst verstehe - partizipativ, unter Einbezug der Gemeinde, gemeinsam feiern statt eine One-Woman-Show abziehen. Fazit nach drei Sonntags-Gottesdiensten:

Die sichtbare Präsenz der Pfarrerin während dem Gottesdienst sinkt mit wachsendem Selbstvertrauen.

Tutto chiaro?

Freitag, 14. Oktober 2011

Skifahren bei Sonnenuntergang - London days!

Zwischen zwei Sonntagspredigten tauche ich ein paar Tage ab in die mitreissende, hinreissende, zerreissende London-Welt. London ist eine Sucht. Kaum ist man drin, will man mehr und für immer. Die Tage sind zu kurz, die Träume zu gross. 

Station 1: Skihalle in Milton Keynes (Bedfordshire) - dann doch lieber echter Winter. Suchtgefahr niedrig.


Station 2: Brunch mit Blick auf das olympische Gelände 2012 - grösser, höher, weiter!

Station 3: Herbsttag in Greenwich - die schönste Sicht auf London - möge der Tag kein Ende nehmen...!

Station 4: ... oder vielleicht doch. zumindest für den Sonnenuntergang über der Themse bei einem Glas Weisswein.

Übermorgen stehe ich wieder in St.Gallen in der Kirche zum Predigen. Dazu mehr. Bald.

Dienstag, 11. Oktober 2011

Ich bin eine Milliardenbetrügerin!

The iPhone 4S (Pic: Getty Images)Der Alltag in der Schweiz ist, zumindest im Vergleich zu Frankreich und England, von einer leicht technologiefeindlichen Tendenz geprägt. Während in anderen Teilen Europas Mobiltelefon und E-Mail ihren Platz zur schnellen Kontaktaufnahme zwischen Menschen erobert haben und man Informationen innert kürzester Zeit einholen kann, ist es in der Schweiz keine Garantie, seine Freunde dank mobilen Geräten innert nützlicher Frist zu erreichen. Es braucht alles seine Zeit. Manchmal ist das ärgerlich, insbesondere dann, wenn die Absprachen mit Bekannten in Griechenland, England oder Litauen viel fixer über die Bühne gehen als mit denjenigen Menschen, die im gleichen Land leben.

Eine irritierende Begenung dieser Art hatte ich letzte Woche im Vikariatskurs in Basel. Nach intensiven Wochen in den Kirchgemeinden waren die Vikare und Vikarinnen zum ersten Mal seit Beginn im August wieder versammelt. Erste Unterrichtslektionen und Gottesdienste, unzählige Begegnungen mit Gemeindegliedern und das Einfinden im Pfarrteam bewegten die Gemüter. Die Stimmung forderte demnach einen lebhaften Austausch zwischen den angehenden Pfarrer und Pfarrerinnen. Dieser wurde uns jedoch verwehrt. Das Programm bestand aus stundenlangen trockenen Referaten, Tag für Tag, Abend für Abend, so dass für lockeres Plaudern und Reflektieren schlicht kein Raum blieb. Mir ein Rätsel, wie man an Bedürfnissen einer Gruppe so konsequent vorbeiplanen kann.

Allgemeine Unruhe und Frustration machten sich sicht- und hörbar breit. Die Woche hat meine Erlebnisse aus der Gemeinde nicht aufgefangen, sondern eine bleierne Müdigkeit über meine Knochen gelegt. Die letzte Bastion der Autonomie war denn noch der Griff zum iPhone während eines weiteren nicht enden wollenden Referates. Diese Mini-Verweigerung veranlasste einen Kursleiter kurz vor Mittag dazu, uns wie Kleinkinder zu ermahnen, wie unhöflich das Spiel mit dem Telefon während eines Vortrages sei, ignorierend, dass auf so einem Gerät auch Notizblöcke oder Agenden für postmoderne Menschen integriert sind.

Folgender Dialog mit einem Kursleiter spielte sich ab, nachdem ich gegen diese Entmündigung protesiert hatte:

"Wie machst du das denn im Konfirmationsunterricht? Dürfen sie da etwa Handy's benutzen?" - 


"Wir machen mit den Jugendlichen der Gemeinde eigentlich fast alles per Handy." - 


"Ja und wie kontrollierst du denn, dass sie nicht spielen?" - 


"Vertrauen..." - 


"Vertrauen?! Man hat ja in England gesehen, wohin das mit dem Vertrauen führt! Da hat doch einer bei der UBS wegen mangelnder Kontrolle zwei Milliarden verspielt."

057PS1_TimNoble_SueWebster_dollar.JPGNa, das ist ja mal ein einleuchtender Grund, während Referatsblöcken nicht mehr mit dem Mobiltelefon zu hantieren. Nicht dass die Vikare noch das ganze Vermögen der Kirchen auf den freien Markt werfen!

Mittwoch, 28. September 2011

Tomatenschlacht


In Litauen war es irgendwie anders. Kein Zittern und Stottern, keine pausenverlegenen Ähms und Ohs, keine roten Stressohren. Es gab keinen Grund. Wahrscheinlich gibt es sonst auch keinen Grund. Aber es passiert trotzdem immer wieder, dass ich mich von einem Wort oder einem Satz so verunsichern lasse, dass es mir den Teppich unter den Füssen wegzieht. Man merkt mir das meistens kaum an, doch es passiert öfters, als es den Anschein macht. Vor Schulklassen, in Sitzungen, an Gottesdiensten. Ständig kämpfe ich gegen die Errötung meines Gesichtes an im Versuch, nicht wie eine Tomate durch das Vikariat zu gehen.

Heute vor der 20köpfigen neuen Schulklasse ist es nicht passiert. Ich stand einfach da, gab meine Doppelstunde und fühlte mich dabei wie ein alter Hase. Kam dazu, dass ich dank all den minutengenauen Vorbereitungen der letzten Wochen innerhalb einer Stunde einen kohärenten Stundenaufbau hinzaubern konnte. Der erste Lernerfolg hat sich spürbar eingestellt. Es ist die Kombination konzentrierter individueller Arbeit und einer Woche Frauenkonferenz, die mich heute so gelassen antreten liess, dass ich mich selber kaum wieder erkannte. Vielleicht liegt es daran, dass die Frauen sich in ihrer ganzen Ernsthaftigkeit einfach eine Spur weniger ernst nehmen. Vielleicht liegt es daran, dass folglich der Erwartungsdruck nicht so drückt. Frau tut halt, was sie kann, aus der Situation heraus, in der sie steckt. Vielleicht liegt es daran, dass ich mir meiner privilegierten Situation als Frau in der Schweiz wieder einmal so richtig bewusst geworden bin.

Frauenhandel - das war das Thema der Woche in Litauen. In Moldawien, in der Ukraine, Litauen und Weissrussland betreiben die Forumsfrauen intensive Aufklärungsarbeit, um Mädchen und Frauen davor zu bewahren, sich als Tänzerin, Pflegerin oder Prostituierte in den Westen verkaufen zu lassen. Seit ich zurück bin, überlege ich mir, wo unter uns diese Frauen wohl leben. Denn sie leben hier in St.Gallen wie überall in den reichen Industriestaaten. Sie sind plötzlich da, anonym gegenwärtig in meinem Bewusstsein. Wie kann mich da eine Schulklasse oder ein Gremium noch nervös machen!

Am Abend dann die Talfahrt. An einem Elternabend wurde meiner Kollegin und mir unmissverständlich klar gemacht, dass zwei Frauen nicht alleine ein Jugendlager in einer Grossstadt leiten können. Sie würden ihre Kinder viel lieber mitgehen lassen, wenn noch ein Mann dabei wäre. Die Kinder hätten einfach mehr Respekt vor Männern. Und ob den nicht der neue Pfarrer mitgehen könnte. Dass der neue Pfarrer auch eine Pfarrerin sein könnte, daran haben die Eltern gar nicht gedacht. Ich habe genickt und zugehört und innerlich gekocht.

So geht das, wenn man die Faust ins Gesicht geknallt kriegt.

Doch ich lasse mir das Gefühl nicht so einfach wieder wegnehmen. Den Kampf gegen die Tomate werde ich gewinnen!

Montag, 19. September 2011

The downfall of Lenin - Grutos park


http://www.grutoparkas.lt/istorija-en.htm

Another surprising day in Lithuania. Due to a lack of information (due to the misspelling of my e-mail address) I was given another day all by myself. The other ladies spent the day in Vilnius, whereas I discovered Druskininkai area. Angry at first I made the best out of it and had an amazing day! I decided that there was no point in being angry and took the day as an opportunity to chill out. The weather was amazing, a wonderful autumnal day, perfect conditions to get out of bed and have a look around.

I got to Grutos park by taxi where I had a tryst with Marx, Lenin, Stalin and co. After the end of the Sovjet Union in 1991, the Lithuanian people decided to keep all the Sovjet sculptures, instead of destroying them, and put them in a park. I've never seen something like this before and according to the website of the park this is a unique installation in the former USSR countries.

The area has something depressing and intimidating. As it was a Monday, there weren't many people around and I found myself standing alone in front of a huge Stalin monument or an armed soldier, no one else around. Not a very cheerful perspective. I could literally feel the terror that the Lithuanian people suffered under Sovjet rule. Nevertheless, the forest area has something peaceful and calm as well. A bizarre contrast.









The downfall of Lenin...









... and his re-erection











The day ended with a bike ride and a glass of wine above Nemunas river and an interesting perspective on a spider.

Sonntag, 18. September 2011

Lost in translation

- This one is in English. Not proofread. Carla-english -


I'm lost in translation. Me, myself and no one else, somewhere in Lithuania. Although, there are actually a lot of people in this little town called Druskininkai, two hours east of the capital Vilnius, but I don't understand a word of what everyone is saying and things are kind of different.

How did I end up here, all by myself?

The alarm clock woke me up this morning at 4 am. I took the first train of the day, together with all Saturday-night-party-goers, to get to the airport and to the meeting of the EFECW (Ecumenical Forum of European Christian Women) in Lithuania. As usual I was rather badly prepared for that travel (I remember last time when we met near Prague I almost got lost, due to broken phone and no ones phone number with me). This time, at least I printed out the sheet explaining the way from the airport to the meeting place. Self-confident I took the bus number 31 to Druskininkai. Almost there, I got a call from Martina from the Netherlands, saying that I was supposed to stay in Vilnius for one night, where I would meet Vivie from Greece. Apparently this information didn't make it to my e-mail-box. I would definitely have preferred to hang out in Vilnius with Vivie, but what can I do! Sorry, Vivie... :-)

And that's how I got lost in translation. For one night. Fortunately there was a room for me at the meeting place. Druskininkai is like a health center with spa hotels and sanatorium. I'm in a kind of sanatorium right now. Guests, some decades older than me, are going to get there pills at the reception. I was just checking in. On the other side of the streets happens to be a HUGE spa and aquapark. It seems to be famous in Lithuania. Everything is translated in at least three languages. www.akvapark.lt


It was not difficult to set the evening programme. Sauna, hot tub, roman bath, relaxing rooms... I missed almost all of it as I felt asleep on the hot Hammam stone for at least half an hour. Got out of the spa, ordered a take away pizza and two bottles of beer, went back to my hotel room, and here I am, writing my blog, in the middle of nowhere.

The fascinating thing about unexpectedly stranding somewhere is the complete anonymity you're in for a little while. It's like being out of the world - of my world. I enjoy it a lot - but I only enjoy it because I know that tomorrow I will meet my friends from all over Europe, and because I know that my friends are there, even if they are not here.

Imagine if it was like this every day of your life ---

Interreligiöses Gebet auf dem Klosterplatz

Dieses Jahr standen die Hindus und Sikh im Zentrum des interreligiösen Gebets.
Zum Einzug der Ehrengäste stimmten die Teilnehmenden den Schweizer Psalm an. Zuerst etwas schräg, dann aber ein tief berührender Moment.
VertreterInnen aus Politk und Religion und die Konfirmanden der Haldengemeinde
Andreas Nufer führt durch das Gebet.


Mit den Eindrücken des interreligiösen Gebets erfüllt, erfuhr ich kurz darauf von einem alten/neuen Skandal in der Berner Gemeinde Siselen, wo eine Pfarrerin meiner Generation Hasspredigten gegen den Islam und gegen unsere islamischen MitbürgerInnen unterstützt. Sie ist Berichten nach Mitverfasserin und -verwalterin des islamfeindlichen Blogs "Political Incorrect". Was mich zusätzlich entsetzt ist, dass 'man' in Kirchenrängen davon scheinbar schon seit längerem weiss und die jetzt erschienenen Medienberichte nur müde belächelt. Der Kirchenbund hat sich auf ein "no comment" beschränkt. Das macht mich krank. Die Kirchen MÜSSEN Stellung beziehen und radikale Konsequenzen aus dem Vorfall ziehen!

Freitag, 16. September 2011

Das wichtigste Buch nach der Bibel

Es gibt die Bibel. Und es gibt das Raumnutzungsbuch. Andreas hat mir heute feierlich das Geheimnis des zweitwichtigsten Buches aller Zeiten anvertraut. Das Raumnutzungsbuch - trockener könnte der Buchtitel wahrlich nicht sein - steht für das Gemeindekonzept der ökumenischen Gemeinde Halden. Das Buch ist ein Symbol für Begegnung, Vertrauen und die einzig mögliche Zukunft der Kirche.

Die Haldenkirche steht immer offen. 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche kann jeder Mensch die Kirche betreten. Manchmal beten schlaflose Menschen um drei Uhr in der Früh. Oder es finden Pressekonferenzen statt. Oder Schulkinder kommen zur Morgenandacht vor Schulbeginn. Zu einem Zwischenfall kam es nur ein einziges Mal, als übermütige Jugendliche der Versuchung erlagen, ein Auto in die Kirche zu fahren.

Die übrigen Gemeinderäume sind nicht 24/7 zugänglich, doch es sind rund 150 Schlüssel in der Gemeinde im Umlauf. Der Quartierverein, die Jugendband, die Hindus und die Tanzgruppe, alle haben einen Schlüssel. Niemand weiss so genau, wer einen hat. Doch es spielt auch keine Rolle. Jede Gruppe, die die Haldenkirche nutzt, versteht sich als Teil des Gemeindelebens. Das ist die einzige Bedingung zur freien Nutzung. Daraus leitet sich ab, dass jede Gruppe selber für die Sauberkeit der Räumlichkeiten verantwortlich ist. Messmer im klassischen Sinne, die aufbauen, organisieren, Kaffee machen und abräumen gibt es nicht. Die Abwärtin ist lediglich für die Grundreinigung zuständig. Das Konzept setzt neben einem hohen Mass an Selbstverantwortung auch eine Portion Unpinggeligkeit voraus. 

Das Raumnutzungsbuch steht für all dies - es steht für das grosse Vertrauen, das die Gemeindeglieder ineinander haben und das Büro in die Gemeinde; es steht für die unzähligen Begegnungen jeglicher Art, die hier stattfinden und es steht dafür, dass die Kirche der Zukunft nur dieses eine sein kann: Eine Kirche mit offenen Türen, die Quartierzentrum ist. So wie die Haldenkirche.

Und das zweitwichtigste Buch aller Zeiten? Darin tragen die Gruppen ein, wann sie welchen Raum nutzen. Zugang zum Schrank haben alle. Einen Raumverwalter oder eine Raumverwalterin gibt es nicht. Hier trägt die Gemeinde Verantwortung.

Montag, 12. September 2011

Sauerstoffmangel im Walfischbauch

Langes Wochenende in Strassburg... Hochzeit der französischen Art (Dessertbuffet um 3:30 in der Nacht eröffnet)... viele Erinnerungen an meine vier Jahre in Frankreich... Wiedersehen mit alten Freunden... Ich war irgendwie weg...

Die werte Leserschaft möge mir verzeihen!

Heute morgen um 7:00 Uhr in Strassburg auf den Zug, um 13:40 in St.Gallen vor der Klasse, zum Vierlektionenmarathon. Nervös war ich schon, trotz minutiös vorbereiteten Lektionen.

Bibelquiz und Gummibärchen.
Ja aber ein Mensch kann doch im Bauch eines Walfisches gar nicht überleben!
Ist eigentlich alles wahr, was in der Bibel steht?

Theologisieren mit Dreizehnjährigen. Es ist mir gelungen!

Mehr geht heute nicht mehr.

Noch eine Episode Gilmore Girls.

Und tschüss!

Montag, 5. September 2011

Segen für die Fussballfahnen

Quartiergottesdienst Halden, in Zusammenarbeit mit dem Sportclub Brühl: Der Gottesdienst findet am Sonntag um 10:30 Uhr im Fussballstadion statt. Die gesamte zweite Mannschaft ist anwesend. Die neuen Brühl-Fahnen und die FussballspielerInnen werden gesegnet.


Danach kriegen die SC Brühl Jungs vom FC Sarajevo 1:6 aufs Dach - aber Spass gemacht hat's trotzdem!

Die Young Believers sind fester Bestandteil der Gemeinde Halden. An Jugendgottesdiensten und an speziellen Anlässen treten sie auf, gecoacht von Musikern der Stadt St.Gallen. Die Idee, eine eigene Band zu gründen, kam den ehemaligen KonfirmandInnen vor einigen Jahren auf der Konfreise nach London. Die Begeisterung ist seither ungebrochen!


Talar meets SchüGa (St.Galler Lokalbier)

Modeln - die heimliche Nebenkarriere




"Das Solidaritätshaus soll ein offenes Haus für Flüchtlinge, MigrantInnen und SchweizerInnen sein. Es soll eine Anlaufstelle für Menschen in Not sein. Es setzt sich für die Integration ein und bietet Raum für Begegnungen und Eigeninitiative: Für Veranstaltungen, Kurse und insbesondere für einen Mittagstisch. Es soll auch ein Treffpunkt im Quartier werden."



3. September: Es ist der Tag der offiziellen Eröffnung des Solidaritätshauses, das seit März 2011 seine Türen offen hat. Das Engagement zahlreicher Menschen und grosszügige Spenden haben dazu beigetragen, dass dieses auf einem kleinen Hügel thronende Haus nun Tag für Tag für Begegnungen zwischen den Kulturen und Religionen offen steht.

Ich treffe um etwa 13 Uhr ein, mit knurrendem Magen. Die St.Galler Bratwürste auf dem Grill machen richtig Appetit. Doch statt mir eine Bratwurst zu schnappen, werde ich sogleich eingespannt: Als Model! Nichtsahnend werde ich in einen Raum gezerrt und schon stecke ich in einem Abendkleid, handgenäht von der russischen Modeschöpferin Maria Habit. Entsprechendes Schuhwerk habe ich halt nicht dabei - wer hat schon "für alle Fälle" High Heels im Gepäck - und so flipfloppe ich etwas ungeschickt über den blauen "Laufsteg". Germany's Next Top Model ist ein Witz gegen unsere graziöse Show! Heidi Klum war leider im letzten Augenblick verhindert. So bleibe ich halt Vikarin und lasse meinen Topmodeltraum endgültig sausen...



Interkultureller Laufsteg